Schneider, Otto

geboren am 4.8.1914 in Karlsruhe, gestorben am 24.5.1995 in Karlsruhe

 
Otto Schneider wurde 1914 als Sohn eines Einzelhandelskaufmanns, der ein Feinkostwarengeschäft in Daxlanden führte, geboren. Daxlanden mit einem hohen Arbeiteranteil in der Wohnbevölkerung galt in der Weimarer Republik als „rotes Nest“. Die SPD erreichte dort in einem Wahlkreis bei der Reichstagswahl 1930 fast 53 %, die KPD weit über ihrem Karlsruher Durchschnitt nahezu 15 % der Wählerstimmen. Bereits als Jugendlicher war Schneider 1926 in den zur Arbeitersportbewegung zählenden Daxlander Kraftsportverein (Ringen, Stemmen, Tauziehen, Weitwerfen, Pyramidenbau, Fußballabteilung), den „1. Ring- und Stemmclub“ eingetreten. Der langjährige Vereinsvorsitzende war der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Hermann Müller-Würtz (1933 mutmaßlich von Nazis ermordet, seine Leiche wurde in den Altrhein bei Altrip geworfen). Schneider betätigte sich mit großem Ehrgeiz im Ringen und errang dabei 1932 und 1933 badische Meistertitel, 1932 wurde er zum Jugendleiter im Verein bestimmt. Als der Verein 1933 gleichgeschaltet wurde, erhielt er den sinnfälligen Namen „Deutsche Eiche“ (heute „Athletik-Sportverein Karlsruhe Daxlanden 1921“). 1931 noch bescheinigte das katholische Stadtpfarramt dem 17-jährigen, der nach Abschluss der Volksschule seit 1929 eine kaufmännische Lehre absolvierte, „Tadellosigkeit“, „Als Kind war er sehr brav und gefällig; auch in der Schule war er bei uns stets willig und fleißig und gab nie Anlass zur Klage. Nach der Schulentlassung hat er die Verbindung mit uns stets aufrechterhalten, besuchte regelmäßig an Sonntagen die Christenlehre, seine Aufführung war immer tadellos gewesen.“ Spätestens seit 1932 war Schneider Sympathisant bei der starken Daxlandener KPDOrtsgruppe und ihrem Jugendverband KJVD. Nach außen blieb er Mitglied des gegen die freie Gewerkschaftsbewegung agierenden „Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbands“. Als im Jahr 1933 die Mutter verstarb, gab der Vater das Einzelhandelsgeschäft auf und pachtete die Gastwirtschaft „Waldhorn“ in Karlsruhe, in der der Sohn wie schon zuvor im elterlichen Geschäft mithalf. Daxlandener und Grünwinkeler KPD-Aktivisten waren es insbesondere, die in der Anfangszeit nach der Machtübergabe 1933 für die Besorgung illegalen Parteimaterials aus dem Elsaß und aus dem Saarland sorgten. Einer von ihnen, August Dosenbach wurde dabei in der Nacht des 20/21.10.1933 bei einem Kuriergang von der Polizei erschossen. Otto Schneider und sein Bruder Hermann hatten es unternommen, diese Materialien mit ihrem Motorrad an andere KPD-Gruppen in der Stadt und auch nach Forchheim weiter zu reichen. Darunter waren die örtliche „Trotz-Alledem-Rote-Fahne“, die „Inprekorr“, „die „Junge Garde“ und auch die Anleitung zur Untergrundarbeit „Richtlinien für den Aufbau der KPD“ etc. Schneider selbst holte die in einem Garten versteckte Stanze zur Herstellung von Flugzetteln mit „Hammer und Sichel“ hervor und produzierte in großer Zahl und gab sie weiter. Er konnte die Tarnung lange aufrecht halten. Obwohl wegen Verdacht „kommunistischer Umtriebe“ schon am 16. Juli und am 9. Oktober 1934 kurzzeitig in Haft genommen, wurde er wieder freigelassen, weil ihm nichts konkret nachweisbar war. Am 12. Dezember 1934 aber geriet er abermals in Haft. Im Daxlandener Schulhaus war eingebrochen und eine Schreibmaschine entwendet worden. Schneider wurde mitsamt anderen Parteigenossen festgenommen. Der Diebstahl, der zur Herstellung illegaler Flugschriften begangen worden war, konnte ihm nicht einmal nachgewiesen werden und mangels Beweisen wurde er sogar freigesprochen. Inzwischen aber hatte die Gestapo umfangreiches Wissen über das illegale Wirken verschiedener KPD-Zellen gewonnen und dabei auch Details zu Otto Schneiders Tätigkeit zusammen getragen. So blieb er nahtlos in Haft während der Voruntersuchung. Der Generalstaatsanwalt legte ihm zur Last, nach der Verhaftung des illegalen Karlsruher KPDLeiters Clemens van Uehm am 7.3.1934 einen Teil der Leitungstätigkeit übernommen zu haben, Parteibeiträge in Daxlanden eingesammelt und weitergeleitet, zur Bildung einer illegalen KJVD-Gruppe gedrängt zu haben. Auch das Erscheinen und die weitere Verbreitung der seit 1933 erschienen illegalen „Trotz-Alledem-Rote-Fahne“ nach den anfänglichen Verhaftungen der Gruppenmitglieder habe er sichergestellt, habe dazu u.a. auch die Verbindung zu den Linkenheimer Kommunisten um Gustav Ritz sichergestellt, die den Druck eine zeitlang sicherstellten. Besonders zur Last gelegt wurde ihm die Verbindung mit dem KPD-ZK-Mitglied Karl Hofmann in Mannheim, von dem er Instruktionen und Beiträge für die „Trotz-Alledem-Rote-Fahne“ und Flugblätter erhielt und ebenso zur organisierenden „Stelle“ in Strasbourg um den früheren KPD-Landtagsabgeordneten Robert Klausmann. Der Generalstaatsanwalt hielt in der Anklageschrift gegen ihn fest: „Schneider hat durch seine ständig wechselnden Angaben, durch Beeinflussung der Beschuldigten in dem Verfahren gegen Wilhelm Opel und Genossen und durch umfangreichen Kassiberverkehr die Aufklärung außerordentlich erschwert, teilweise sogar unmöglich gemacht.“ Er habe sich an „schwerwiegender und hervorragender Stelle für die Ziele der illegalen KPD betätigt.“ In dem Verfahren zusammen mit Adolf Schuler und Oskar Burgstahler wurde Schneider wegen seiner „leitenden Stellung“ bei dem „hochverräterischen Unternehmen“ im Oktober 1935 vom Oberlandesgericht Karlsruhe zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt. Die musste er teils in den Zuchthäusern Bruchsal, Ludwigsburg und auf dem Hohenasperg verbüßen. Am 23.11.1938 wurde er vom Zuchthaus Ludwigsburg nach dem Moorlager Aschendorff bei Papenburg verbracht. Bezeichnete Schneider später die Haft in den Zuchthäusern als hart aber hinnehmbar, so musste er im KZ-Lager schwere Misshandlungen erleben, Schläge mit dem Gewehrkolben, und er berichtete darüber, wie Aufseher auf ihre Notdurft verrichtende Häftlinge schossen. Ihm waren durch Misshandlungen einige Zähne ausgeschlagen worden. Die Schlimmsten bewahrt haben. Aber sein körperlicher Zerfall ging weiter, Magen-Darmerkrankt konnte er keine Nahrung mehr halten, musste ständig erbrechen. Hatte der gerade 1,67 m große Mann zu seiner „besten Zeit“ ohnehin nur 65 kg gewogen, so war er mittlerweile auf unter 40 kg abgemagert. Vom Zuchthaus wurde er für zwei Monate in die Universitätsklinik Tübingen gebracht und mittels Ernährung über Dünndarmsonde wieder in einen lebensfähigen Zustand gebracht, dann aber alsbald in die Haft zurück verlegt, da der behandelnde Klinik-Arzt den „Zuchthäusler“, den er in einem Arztbericht als „jugendlichen Draufgänger“ mit „burschikosem“ Verhalten bezeichnete, wieder in Sicherungsverwahrung wissen wollte. 1940 wurde Otto Schneider wieder entlassen. Er fand als kaufmännischer Angestellter eine Anstellung bei der Firma Hans Dieffenbacher im Rheinhafen, wurde dort schließlich Prokurist. Am 2.1.1943 aber erfolgte die Zwangseinberufung zum „Bewährungsbatallion 999“, einer Wehrmachtseinheit aus ehemaligen politischen und kriminellen Häftlingen. Nach der Ausbildung im Lager Heuberg kam die Einheit nach Griechenland auf den Peloponnes. Schneider musste Schikanen über sich ergehen lassen und Erschießung von Kameraden mit ansehen. Er selbst wurde dann zusammen mit anderen im Oktober 1943 als „nicht bewährt“ und „wehrunwürdig“ zurück nach Deutschland verfrachtet, im Viehwaggon nach Frankfurt a.M. gebracht, wo sie von SS-Männern empfangen, als „Landesverräter“ beschimpft und geschlagen wurden. Daraufhin wurde Schneider in das „OT“-Lager (Organisation Todt) bei Neu-Isenburg gebracht und mit „OT“-Kleidung versehen zu einem Lager nach St. Cloud in Frankreich gebracht. Tatsächlich war die “OT“-Kleidung nur Tarnung gewesen, musste abgelegt werden und weiter ging es in ein Arbeitslager nach Vicernes bei Lille. Zusammen mit Häftlingen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, der Sowjetunion und Deutschland mussten die Häftlinge Zwangsarbeit in einem Kalkbergwerk leisten. Schneider überstand die Strapazen und als er später in der Schreibstube des Lagers eingesetzt war, gelang ihm eine abenteuerliche Flucht mit gefälschten Papieren. Schließlich versteckte er sich im Haus der Frau eines KZ-Kameraden aus dem „Batallion 999“ bei Strasbourg auf dem Dachboden bis zur Befreiung am 23.11.1944. Als Reichsdeutscher wurde er aber zunächst einmal interniert, so ass er erst im Herbst 1945 nach Karlsruhe zurückkehren konnte. Hier begann er erst einmal wieder in der väterlichen Gastwirtschaft mitzuarbeiten, ehe er in einer Elektrofirma Arbeit fand und 1946 von der Militärregierung als Treuhänder der Firma Rausch in Hagsfeld eingesetzt wurde. 1947 nahm er eine Stellung im Sekretariat der CSS – Centre Sanitaire Suisse, einer Schweizer Hilfsorganisation für ehemalige politische Häftlinge, die eng mit der VVN kooperierte, bzw. ihrer deutschen Sektion SAS (Süddeutsche Ärzteund Sanitätshilfe an. Seine Hoffnung 1949 auf eine Anstellung beim Statistischen Landesamt erfüllte sich nicht. So versuchte er sich als selbständiger Gastwirt, ab 1955 als Spirituosenvertreter. 1947 hatte Otto Schneider geheiratet, aus der Ehe ging ein Kind hervor. Mit seiner Ehefrau übernahm er ab 1969 den Kiosk am Marktplatz. Gesundheitlich war Otto Schneider aber bereits seit seiner Zuchthausstrafe angeschlagen. Jahrelang musste er um die Anerkennung der Erkrankung als Folge der politischen Haft kämpfen und prozessieren. Noch nicht einmal 60 Jahre alt machten ihm immer stärkere Konzentrationsschwächen zu schaffen. Wegen seiner beruflichen Anspannung lehnte er die Übernahme einer verantwortlichen Tätigkeit in der VVN stets ab, trotzdem gehörte er immer zu den Aktiven und so 1972 auch zu den innigsten Befürwortern der Erweiterung der VVN zum Bund der Antifaschisten; für kurze Zeit war er VVN-BdA-Kreisvorsitzender zusammen mit Dietrich Schulze als Stellvertreter. Er engagierte sich, soweit es seine Gesundheit zuließ. 1983 wandte er sich mit vier anderen ehemaligen Karlsruhern Widerstandskämpfern, Karl Wagner, Karoline und Karl Frei sowie Max Leopold in einem Aufruf gegen den NATO-Nachrüstungsbeschluss an die Öffentlichkeit. Im Dezember 1984 unterzeichnete er zusammen mit 20 weiteren ehemals politisch Verfolgten und Widerstandskämpfern bzw. deren Lebensgefährtinnen einen Offenen Brief an den Eigentümer der Badischen Neusten Nachrichten (BNN), Hans Baur, in dem unter Berufung auf das Grundgesetz gegen eine seit 10 Jahre bestehende Diskriminierungsverfügung gegen die VVN-BdA protestiert wird, und fungierte dabei als Kontaktadresse. In seinen letzten Jahren war ihm keine politische Aktivität mehr möglich. Otto Schneider starb nach zuletzt schwerer Pflegebedürftigkeit 1995.

 

Quellen/Literatur: Landesarchiv Baden-Württemberg – GLA 480/701; VVN-BdA-Archiv im Hauptstaatsarchiv Stuttgart Nr. 240; Koch, Manfred: Weimarer Republik, „Drittes Reich“, Widerstand, Verfolgung, in: Daxlanden. Die Ortsgeschichte. Hrsg. Vom Bürgerverein Daxlanden. Karlsruhe 2007, S. 299-314.