Stutz, Hellmut

geboren am 30.11.1914 in Mannheim-Neckarau, gestorben am 4.7.1994 in Karlsruhe

 
Der Vater war Schlosser, Sozialdemokrat und örtlicher Gewerkschaftsvorsitzender, ebenso war die Mutter aktiv in der SPD. 1929 zog die Familie von Mannheim nach Karlsruhe, Hellmut Stutz besuchte die Kant-Oberrealschule und legte dort 1934 sein Abitur ab. 1930 war er Vizevorsitzender der örtlichen sozialdemokratischen Jugend, der SAJ (Sozialistische Arbeiterjugend) geworden und nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten in der Schule zusammen mit einem halben Dutzend Klassenkameraden durch ostentative Ablehnung aufgefallen. Sie verweigerten das Singen des Horst- Wessel-Liedes und den „Deutschen Grußes“ und verließen das Schulorchester. Ihre Haltung war offensichtlich ursächlich dafür, dass Stutz ebenso wie den anderen trotz Abitur die seinerzeit zusätzlich anzuerkennende Hochschulreife nicht gewährt wurde. Stutz konnte sein Ziel eines Volkswirtschaftsstudiums nicht umsetzen und absolvierte eine kaufmännische Lehre bei einer Lebensmittelgroßhandlung in der Wielandtstraße in der Südstadt, bei der er schließlich mit Unterbrechungen bis zur Berentung tätig sein sollte. Trotz seines jugendlichen Alters gehörte Stutz nach der Verhaftung und Ausschaltung der ersten SPD-Widerstandsgruppe um Friedrich Weick, Theodor Kunz, Richard Zöller u.a. ohne Wissen der Eltern zum zweiten illegalen Netz, das die Organisationsarbeit der SPD weiterführte. Der Vater, inzwischen Beamter im Gewerbeaufsichtsamt, hatte sich 1933 aus der Politik zum Schutz von Arbeitsplatz und Familie zurückgezogen. Verbindung ergaben sich durch Kontakte zur SPD-Gruppe in Mannheim um den ehemaligen Landtagsabgeordneten Georg Reibold und den Mannheimer Stadtverordneten Jakob Ott als Organisatoren und Unterverteiler um die Brüder Albert und Hermann Erny, Willi Lange u.a. Von Basel aus bezogen sie verbotene Schriften wie das Periodikum „Sozialistische Aktion“, auch Tarnschriften wie „Die Kunst des Selbstrasierens. Neue Wege männlicher Kosmetik“, welches aber tatsächlich das Prager Manifest des SPD-Exilvorstandes „Kampf und Ziel des revolutionären Sozialismus“ beinhaltete. Mit diesen Schriften hielten sie als interner Lesekreis mit vermutlich bis zu 20 Adressaten die SPD-Organisation im Verborgenen aufrecht. Stutz stellte darüber hinaus nach Feierabend auf Firmenmatrizen Aufrufe gegen den Hitlerfaschismus her und verteilte sie an Telefonzellen, Briefkästen und auf Spazierwegen. Ein 17-jähriges Mitglied des illegalen Kreises hielt offensichtlich nicht dicht und die Verteilergruppe flog auf. Stutz wurde zusammen mit den Brüdern Erny, Willi Lange, Hermann Walter und Karl Konz – alles wesentlich ältere und gestandene SPDler seit mindestens 1913 – vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe wegen Vorbereitung zum Landesverrat angeklagt. Als noch Minderjähriger wurde der 20-jährige Stutz zu 1 Jahr und 6 Monate Gefängnis verurteilt, die Strafe saß er abzüglich U-Haft bis zum 3.2.1937 im Gefängnis Mannheim ab, danach stand er unter Polizeiaufsicht. 1942 heiratete er, aus der Ehe ging 1945 ein Sohn hervor. Einer Zwangsrekrutierung 1943 zur „Organisation Todt“ entging er durch Verstecken und fortan lebte er illegal von Ende 1944 bis zur Befreiung in Bad Liebenzell. Nach der Befreiung übernahm er die Leitung des Ernährungs- und Wirtschaftsamtes in Karlsruhe, ließ sich aber von dieser so empfundenen Bürde entbinden. Eine Angestelltentätigkeit in seiner alten Firma zog er der 1949 nur kurz versuchten selbständigen Bezirksvertreterexistenz vor. Von 1946 bis 1950 war er SPD Stadtrat. Hellmut Stutz war bereits in der örtlichen Vorläuferorganisation der VVN, dem „Bund ehemaliger politischer KZ-Leute (und politisch  Verfolgter) Karlsruhe und Umgebung“ aktiv, versah dort das Amt des Rechnungsprüfers und nach 1949 das des Kassierers; bei seinerzeit rund 700 Mitgliedern (1951: 667) eine zeitintensive Aufgabe. Nach dem Tod von Berthold Riedinger 1964 übernahm er an dessen Stelle den Kreisvorsitz in einer schwierigen Zeit, als über der VVN nach wie vor die Verbotsdrohung stand und in Karlsruhe nur wenige VVN-Mitglieder zur Übernahme von Verantwortung bereit waren. 1950 war er aus der SPD ausgeschlossen worden und hatte sein Stadtratsmandat verloren, da er trotz Druckes sich nicht dem 1948 vom SPD-Parteivorstand unter Kurt Schuhmacher gegen parteiinternen Protest durchgesetzten Unvereinbarkeitsbeschlusses gegen die VVN beugen wollte. Unter Stutz’ Tätigkeit beteiligte sich der VVN-Kreis Karlsruhe an den Ostermärschen, war aktiv in der „Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Friedensverbände“ zusammen mit der DFG (Deutsche Friedensgesellschaft), IDK (Internationale der Kriegsdienstgegner), NFJ (Naturfreundejugend), SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) und dem Freundeskreis des Deutschen Widerstandes, baute 1963 den Kontakt zur französischen F.N.D.I.R.P (Fédération Nationale des Déportés et Internés, Résistants et Patriotes) in Nancy, auf. Mit dem Freundeskreis des deutschen Widerstandes aus oppositionellen Studierenden und SchülerInnen der frühen außerparlamentarischen Opposition in Karlsruhe, die sich konkret mit dem Auschwitz-Prozess in Frankfurt a.M. befassten, fand eine Veränderung um die VVN statt, die die spätere organisatorische Änderung zur VVN-BdA vorwegnahm. Nichtsdestotrotz organisierte Stutz das VVN-Innenleben nach alten Mustern und primär als Kameradschaftsverband. Nach Auseinandersetzungen um den politischen Anspruch der VVN wurde er schließlich nur noch 2. Vorsitzender Der Vorsitz wurde Karl Wagner übertragen. Wagner gebürtig in Künzelsau, war nach 12-jähriger Haft und Widerstandskampf nach Stuttgart, später nach Pforzheim und schließlich nach Karlsruhe gezogen. Er orientierte von Anfang an darauf, jüngere VVN-Mitglieder in die Leitungsarbeit der VVN-BdA einzubeziehen. Stutz trat 1972 von seinem Amt zurück, blieb der VVN aber bis zu seinem Tod 1994 verbunden. Ebenso bis zu seinem Lebensende trat er für den Freundeskreis der DFG/VK ein.

 

Quellen: Landesarchiv Baden-Württemberg – GLA 480/1786; VVN-BdA-Archiv im Hauptstaatsarchiv Stuttgart Nr. 52, 91, 98 und 240; Stadtarchiv Karlsruhe 8/Zgs.