Tag der Befreiung 2014

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Am 8. Mai fand im ver.di-Haus Karlsruhe die traditionelle Veranstaltung zum Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg statt. Der Einladung der VVN-BdA, des DGB und seiner Gewerkschaften ver.di, GEW und NGG sowie der Gewerkschaftlichen Studierendengruppe Karlsruhe (GSKa) folgten über 50 Besucher. Damit wurden die Erwartungen, trotz einiger Parallelveranstaltungen, sogar noch übertroffen.

 

Christa und Peter Willmitzer, Tochter und Schwiegersohn des Münchner Widerstandkämpfers Otto Kohlhofer, lasen aus ihrem Buch „Deckname »Betti Gerber« – Vom Widerstand in Neuhausen zur KZ-Gedenkstätte Dachau“. Für die angemessene musikalische Umrahmung sorgte die Singegruppe Heidelberg mit Michael Csaszkóczy.

 

In seiner Begrüßung machte Thorsten Dossow, stellvertretender Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Mittelbaden-Nordschwarzwald, auf die Notwendigkeit aufmerksam, weiterhin Aufklärung zu leisten. „Die Wahlwerbung, die zurzeit zu sehen ist, zeigt, dass aus der Geschichte nichts gelernt wurde“. Daher werde ver.di auch weiterhin Fahrten in das Konzentrationslager Auschwitz organisieren und bietet das ver.di-Haus gerne für die Veranstaltung zum 70. Jahrestag der Befreiung an.

 

Jens Kany, Kreissprecher der VVN-BdA Karlsruhe, machte in seinen Begrüßungsworten auf die Aktualität des Gedenkens des 8. Mai 1945 aufmerksam. Neben der Erinnerung an das historische Ereignis sei es wichtig, die heutige Entwicklung kritisch zu beobachten. Denn die Vernichtung des Faschismus sei nach 1945 keineswegs „mit seinen Wurzeln“ vollzogen worden, wie es im Schwur von Buchenwald gefordert wird. Dies zeige nicht zuletzt die Kumpanei staatlicher Behörden mit rechtsextremen Vereinigungen, wie sie etwa im Zuge der Aufarbeitung der NSU-Morde ans Licht kam. Die VVN-BdA Landesvereinigung Baden-Württemberg fordere diesbezüglich die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beim Landtag (mehr Infos: http://untersuchungsausschussjetzt.vvn-bda.de/). Weiter zeige die Entwicklung in der Ukraine, dass der Faschismus für die herrschende politische Klasse der BRD weiterhin eine reale Option darstelle. So habe die Bundesregierung den von Faschisten mitgetragenen Staatsstreich in der Ukraine unterstützt und arbeite mit der dortigen Putschregierung zusammen, an der auch organisierte Faschisten beteiligt seien.

 

In ihrer Lesung berichteten Christa und Peter Willmitzer in drei thematischen Blöcken über Leben und Widerstand von Otto Kohlhofer. Schon in seiner frühen Jugend zeigte sich Otto als Mensch, der es wagte, für seine Überzeugung zu kämpfen. So zettelte er bereits als Lehrling einen Streik an; denn die Lehrlinge wurden in Zeiten der Wirtschaftskrise zu Akkordarbeit gezwungen, während die gelernten Arbeiter in Kurzzeit nur einen Tag in der Woche Arbeit erhielten. Der Streik blieb jedoch, aufgrund fehlender Unterstützung, erfolglos. Otto aber verlor seinen Mut nicht! Als der „Nationalsozialistische Fliegerkorps” an seiner Berufsschule einen Vortrag halten wollte, mobilisierte Otto zum Boykott. Gemeinsam mit einigen Mitschülern machte er Lärm und verhinderte so den Vortrag. Zur Strafe wurde er ohne Abschluss von der Berufsschule geworfen.

 

Als 17-jähriger trat Otto schließlich in den kommunistischen Jugendverband ein. In der Neuhausener Stadtteilgruppe der KPD wurde er aktiv beim Verteilen von Flugblättern gegen das Naziregime. Im Widerstand gab er sich den Decknamen „Betti Gerber“. Trotz dieser und verschiedener anderer Vorsichtsmaßnahmen gelang es einem Spitzel der Gestapo sich einzuschleichen und ihn zu verraten. Die gegen ihn verhängte Jugendstrafe von 2,5 Jahren verbrachte er in Einzelhaft im Zuchthaus. Anschließend, 1938, wurde er als politischer Häftling direkt ins KZ Dachau eingeliefert. Dort traf er nach der langen Einzelhaft Freunde aus dem Widerstand wieder, sodass er Dachau als Lichtblick empfinden konnte, aber auch als Zeit der politischen Entwicklung und des Lernens von älteren Kameraden. Er lernte dabei, wie er selbst sagte, die Ereignisse zu verstehen und die Lage einzuschätzen und wurde zum Internationalisten und zum „Graduierter des KZs“.

 

In Dachau erfuhr Otto auch, was Solidarität und Freundschaft bedeutet. Mit Hilfe seiner Freunde, die in der sog. „Häftlingsselbstverwaltung“ als Funktionshäftlinge eingesetzt waren, erhielt er einen Arbeitsplatz als Feinmechaniker, der ihm das Überleben erleichterte. 1942 wurde er als Zwangsarbeiter im Außenlager Kempten für Sachs/BMW in der Rüstungsproduktion eingesetzt. Gegen Ende des Krieges wurde Otto ungefragt einem Bewährungsbataillon der Wehrmacht zugeteilt und an die Front geschickt. Er desertierte und floh über Wien nach Kempten um dort seine große Liebe Resi zu heiraten.

 

Nach Kriegsende machte sich Otto für die Gedenkstätte Dachau stark – in einer Zeit, in der niemand davon hören wollte. Doch er baute auf den „Geist der Lagerstraße“. Dort, auf der Lagerstraße, haben sich die Häftlinge in ihrer spärlichen Freizeit getroffen und über die Welt nach der NS-Herrschaft debattiert. Dabei galt: Egal aus welcher politischen Richtung sie kamen, in der Häftlingsuniform im KZ waren alle gleich. Diesen antifaschistischen Grundkonsens galt es für die Nachkriegszeit zu bewahren. Ab 1955 organisierte sich Otto im CID (Comité International de Dachau), um das ehemalige KZ als Gedenkstätte zu bewahren. 1965 wird die Gedenkstätte eröffnet.

 

Um den Sieg über Faschismus und Krieg, das Ende des Weltkrieges gebührend zu feiern, wurde zum Schluss der Veranstaltung mit Rotkäppchen-Sekt angestoßen. In seinem Trinkspruch las Dietrich Schulze einen in der Zeitschrift „Ossietzky“ veröffentlichten Artikel von Felicia Langer vor. In diesem drückt die in der Ukraine aufgewachsene Trägerin des Alternativen Nobelpreises in einer bewegenden Botschaft ihre Empörung über die von Faschisten gestützte „Übergangsregierung“ der Ukraine und die antirussische Hetze der Medien aus. Ebenso betont sie ihren Dank an die Sowjetarmee für die Rettung ihres Mannes am Rande des Todes aus dem KZ Theresienstadt. Die Befreiung der Welt vom Hitlerfaschismus ist hauptsächlich dem aufopferungsvollen Kampf der Roten Armee zu verdanken.

 

Im Vorfeld der Befreiungsfeier wurde vor dem ver.di-Haus, dem Aufruf des Bundesausschusses Friedensratschlag folgend, eine Mahnwache abgehalten. Thema war die Kriegsgefahr in der Ukraine. Ein Bericht ist hier zu finden.

 

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Christa und Peter Willmitzer: Deckname „Betti Gerber“. Vom Widerstand in Neuhausen zur KZ-Gedenkstätte Dachau. Otto Kohlhofer 1915 – 1988. Mit einem Geleitwort von Barbara Distel. Erschienen 2006 im Allitera Verlag.

 

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