„Das sind wir den Millionen und Abermillionen Opfern des Faschismus schuldig!“
25. November 2020
Am Datum des Totensonntags findet in Karlsruhe traditionell die Gedenkveranstaltung für die Opfer des Faschismus statt. Über 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen auch in diesem Jahr wieder am Hauptfriedhof zusammen um gemeinsam zu bekunden: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!
Am Mahnmal für Euthanasieopfer zeigte sich die beeindruckende Bündnisbreite, die diese Veranstaltung ausmacht. Insgesamt legten 20 Organisationen Kränze und Blumengebinde nieder: DGB + ver.di, GEW, IG Metall, NGG, Stadtjugendausschuss e. V., Christopher Street Day Karlsruhe e. V., DFG-VK, Forum Ludwig Marum, Ettlinger Bündnis gegen Rassismus und Neonazis, Friedensinitiative Bruchsal + Pax Christi, Interventionistische Linke, Lebenshilfe Karlsruhe, Ettlingen und Umgebung e. V., Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP), SDAJ, Rote Hilfe, DKP, Bündnis 90/Die Grünen und die LINKE.
In seiner Ansprache ging Jens Kany, der Kreissprecher der VVN-BdA Karlsruhe auf aktuelle Tendenzen der Rechtsentwicklung und Militarisierung ein: „Was die Gefahren unserer Zeit angeht, so haben wir es nicht nur mit der Corona-Pandemie zu tun, sondern auch mit sich zuspitzenden ökonomischen und politischen Krisenerscheinungen sowie einer die menschliche Zivilisation bedrohenden Kriegsgefahr, bis hin zur offenen Kriegsvorbereitung. Diesem Trend muss entgegengewirkt werden! Für eine Welt des Friedens und der Freiheit, wie es im Schwur von Buchenwald heißt. Damals in den KZs und Zuchthäusern ist der antifaschistische Konsens gewachsen, den es heute endlich umzusetzen gilt: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! Das sind wir den Millionen und Abermillionen Opfern des Faschismus schuldig!“
Am Ehrengräberfeld für sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter sprach Hans-Peter Goergens. Dieser ging zunächst auf ein aktuelles Thema ein, „das die ganze Erinnerungskultur schwieriger macht.“ Es ging um den Beschluss des Bundestags, für Polen eine gesonderte Gedenkstätte in Berlin zu errichten, welche die Besatzung durch die Wehrmacht mit allen fürchterlichen Folgen darstellen soll. Goergens schloss sich der Kritik der Historiker Wolfgang Benz und Aleida Assmann an, wonach es nötig sei, ein Dokumentationszentrum für alle Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik zu errichten. „Es gibt nur eine Lösung, bei der versucht werden kann, die gesamte Besatzungen mit allen Folgen und den Charakter der Besatzer darzustellen und den Widerstand in den einzelnen Ländern zu würdigen.“ Insbesondere die sowjetischen Opfer dürften gedenkpolitisch nicht verleumdet werden: „Die Sowjetunion hat im Landkrieg den größten Teil der Opfer getragen und dadurch Europa vom Faschismus befreit.“ Ein solches Dokumentationszentrum müsse auch die gemeinsamen Erfahrungen mit der Zwangsarbeit berücksichtigen. „Ohne die über 10 Millionen Zwangsarbeiter wäre die deutsche Wirtschaft bereits 1942 zusammengebrochen“, so Goergens. Dabei habe es unterschiedlich behandelte Kategorien von Zwangsarbeitern gegeben. Bereits vor Kriegsbeginn war Zwangsarbeit für Sinti und Roma (ab 1936) und Juden (ab 1938) üblich. Die NS-Politik der Zwangsarbeit gipfelte in mörderischen Programmen wie „Vernichtung durch Arbeit“. Das war u.a. das Programm für die Nacht-und-Nebel-Häftlinge (NN-Häftlinge) im KZ Natzweiler-Struthof. In einer gemeinsamen Gedenk-, Lern- und Denkstätte müssten insbesondere auch die historischen Hintergründe der Nazi-Verbrechen thematisiert werden: Von der gescheiterten bürgerliche Revolution 1848 bis zur blutigen Niederschlagung der Novemberrevolution 1918. „Das wird in den Schulen nicht vermittelt. Und da müssen wir ansetzen.“
Die VVN-BdA legte am Ehrenkreuz für die sowjetischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ein Blumengebinde nieder. Auf der dort angebrachten Gedenktafel heißt es in russischer und deutscher Sprache: „Ewiges Gedenken den sowjetischen Bürgern, den Opfern des Faschismus. Die Faschisten mögen wissen, dass nicht ein einziger Akt ihrer Greueltaten unbestraft bleiben wird. 1941 – 1945.“