OdF-Gedenktag 2011

Bei strahlendem Sonnenschein und milden Temperaturen versammelten sich auch am diesjährigen Totensonntag wieder rund fünfzig AntifaschistInnen und FriedensfreundInnen zum Gedenken an die Opfer des Hitlerfaschismus am Hauptfriedhof Karlsruhe. Bemerkenswert war die große Bandbreite der teilnehmenden Parteien und demokratischen Organisationen: Bündnis 90/Die Grünen, Deutsche Kommunistische Partei, DIE LINKE., SPD, DGB, DFG-VK , Friedensbündnis Karlsruhe, Friedensinitiative Bruchsal, Interventionistische Linke, Stadtjugendausschuß, Pax Christi, und ver.di zusammen mit dem traditionellen Veranstalter VVN-BdA.

 

Die diesjährige Gedenkveranstaltung stand besonders unter dem Eindruck des jüngst aufgedeckten nationalsozialistischen Terrors der sog. „Zwickauer Zelle“, die über Jahrzehnte hinweg vor den Augen von Polizei und Verfassungsschutz mordend durch die Republik zog. Den Opfern des Hitlerfaschismus zu gedenken heißt immer auch: die aktuellen faschistischen Umtriebe zu bekämpfen!

 

Es ist nichts Neues, das Nazis durch Terror und Mord versuchen ihre verbrecherischen und menschenfeindlichen Ziele zu erreichen

 

Am Mahnmal für die Opfer des Faschismus sprach Janka Kluge, Landessprecherin der VVN-BdA Baden-Württemberg. Es sei nichts Neues, das Nazis durch Terror und Mord versuchten ihre verbrecherischen und menschenfeindlichen Ziele zu erreichen. Fast jedes Wochenende marschierten irgendwo in Deutschland Nazis auf; allein am Wochenende des 19. und 20. November seien in Rheinland Pfalz drei Naziaufmärsche angemeldet. Auch vergehe kaum eine Woche in der Neonazis in Deutschland einen Anschlag verübten. Polizei und Verfassungsschutz griffen meist gar nicht ein und verharmlosten anschließend die Täter als verwirrte Einzeltäter. So konnten im Jahre 2009 mehrere geplante Bombenanschläge badischer Neonazis nur durch den mutigen Einsatz Freiburger Antifas verhindert werden – nicht durch den Einsatz von Polizei, Verfassungsschutz oder V-Leuten.

 

Seit zwei Jahren mobilisierten badische Neonazis rund um den 1. Dezember zu einer Demonstration. An diesem Tage – am 1. Dezember 1941 – fand die erste Deportation der württembergischen Juden nach Riga statt. Der Transport erreichte Riga am 4. Dezember. Der größte Teil der erschöpften und hungrigen Männer und Frauen wurden in ein kleines Birkenwäldchen geführt und dort ermordet. Die meisten der über 20.000 Juden, die aus Deutschland nach Riga deportiert wurden, waren bis Februar 1942 verhungert, erfroren oder ermordet. Der Massenmord von Riga war der Beginn der sog. „Endlösung“, also der Vernichtung der gesamten jüdischen Bevölkerung Europas und der Sowjetunion. Dieses schreckliche und menschenverachtende Ereignis in Form einer Demonstration zu heroisieren sei eine Provokation, die nicht hinzunehmen sei. Die Teilnehmer solcher Demonstrationen unterschieden sich von den Mördern der „Zwickauer Zelle“ nur insofern, als das jene ihren Worten Taten folgen ließen. Heute wie damals gilt daher der von der VVN geprägte Satz: „Faschismus ist keine Meinung – sondern ein Verbrechen!“

 

Die Faschisten mögen wissen, dass kein einziger Akt ihrer Greueltaten unbestraft bleiben wird

 

Zum zweiten Teil der Gedenkveranstaltung zogen die Anwesenden geschlossen in den jüdischen Teil des Friedhofes, wo am Gedenkstein für die sowjetischen und polnischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter der Historiker Jürgen Schuhladen-Krämer eine Ansprache hielt.

 

Den Gedenkstein ziert der Schriftzug: „Ewiges Gedenken den sowjetischen Bürgern, den Opfern des Faschismus. Die Faschisten mögen wissen, dass kein Akt ihrer Greueltaten unbestraft bleiben wird. 1941-1945“. Wir wüssten alle, so Schuhladen-Krämer, dass dies niemals umgesetzt worden sei. Nicht wenige Nazis waren nach 1945/49 in Politik, Justiz und Verwaltung aktiv – eine Entnazifizierung fand in Westdeutschland niemals statt. Angesichts des aktuellen neofaschistischen Terrorismus sei zudem anzumerken, dass bundesrepublikanische Geheimdienste, darunter der Verfassungsschutz, von eben jenem Nazi-Personal aufgebaut wurden. Kein Wunder also, dass diese bis heute auf dem rechten Auge eine Sehschwäche haben und den Feind stets links vermuten.

 

Weder die Bundesrepublik, noch die EU hätten aus der Geschichte gelernt. Gab es 1945 und in Nürnberg noch ein Verständnis darüber, dass neben Rassismus und Herrschaftsstreben eine aggressive Wirtschaftspolitik deutscher Konzerne, mithin der Kapitalismus als Wirtschaftsform, für die Verbrechen verantwortlich war und Konsequenzen wie Zerschlagung und Verstaatlichung zu ziehen wären, ging diese Lehre im Kalten Krieg nach 1947 ganz schnell wieder unter. Darin sei einer der Gründe zu sehen, weshalb die europäische Entwicklung als EU-Großmacht entgegen eigener Darstellung eben nicht friedlich verlaufe. Weder nach außen, wie die Kriege der letzten zwei Jahrzehnte mit Beteiligung europäischer EU- und NATO-Staaten zeigen, noch im Inneren. Im Inneren könnten wir gegenwärtig ein Erstarken faschistischer Organisationen feststellen. In Osteuropa sehen wir einen großen Einfluss der Faschisten, mit ungeschminktem Bezug auf historische Vorläufer; Ustascha in Kroatien, die ungarische Fidesz mit ihren Paramilitärischen Formationen nach Vorbild der Pfeilkreuzler, die rumänische Partidul Romania Mare mit der „Eisernen Garde“, in Lettland und Litauen.

 

Neben den erstarkenden faschistischen Bewegungen gebe es zudem das Phänomen des sog. Rechtspopulismus: die Wahren Finnen, die österreichische FPÖ, die niederländische Gert Wilders Freiheitspartei, die norwegische Fortschrittspartei, die Schweizer SVP, usw. – alle konnten in den letzten Jahren beängstigende Stimmengewinne verzeichnen.

 

Die Wechselwirkung von Rechtspopulismus und Faschismus mit dem kriegerischen und demokratiefeindlichen Agieren der EU könnte in naher Zukunft zur Ausformung autoritärer Staaten und Institutionen führen, so Schuhladen-Krämer. Dem müssten alle demokratischen Kräfte mehr entgegensetzen als dies bisher der Fall ist.

 

Durch die Veranstaltung führte Silvia Schulze, Sprecherin der VVN-BdA Kreisvereinigung Karlsruhe. Für die musikalische Untermalung sorgte, wie jedes Jahr, die Liedermacherin Marianne Hangstörfer.

 

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