Dietz, Friedrich Karl Hans

geboren am 21.12.1909 in Mannheim, gestorben am 10.1.1959 in Karlsruhe

 

F.K.H. Dietz, wie er als Journalist prägnant signierte, wurde 1909 als Hans Dietz in Mannheim geboren. Weil die Eltern aus „Unabhängigkeitsbedürfnis“ – so Dietz 1947 – nicht heirateten, wuchs er bei den Großeltern in Karlsruhe auf, streng katholisch erzogen. Er besuchte das Humboldt-Realgymnasium. Im Alter von 12 Jahren begann er – wie Dietz rückblickend festhielt – „an den Wahrheiten zu zweifeln“, denen „von zuhause und in der Schule“ und las selbständig religions- und geschichtsphilosophische Literatur, interessierte sich für alte Sprachen und Geschichte. „Die Auseinandersetzungen mit den Dingen der Umwelt, dem Ursprung der toten und lebenden Materie, ließen mich nur teilweise ein guter Schüler sein“, so Dietz ebenfalls rückblickend aus dem Jahr 1947. Jedenfalls musste er angesichts seiner Noten die Schule verlassen. In der Inflation verloren die Großeltern ihrVermögen und wohl auch der Vater, der ihn bislang unterstützte; ein anderer Besuch der Höheren Schule und ein vorgestelltes Studium ließen sich nicht umsetzen. Doch Friedrich Dietz war Autodidakt und eignete sich trotz höherem Schulabschluss ein enormes Bildungswissen an. Zunächst begann er eine Buchdruckerlehre in Leonberg. Doch als Laufbursche missbraucht, brach er die Ausbildung ab und konnte sie durch Gewerkschaftsvermittlung in Karlsruhe zu Ende bringen. 1928, als fertiger Geselle, begab sich Dietz, der inzwischen aktives Gewerkschaftsmitglied war und Sympathien zur SPD hegte, auf die traditionelle Wanderschaft, die in die Schweiz führte. Seine Überzeugungen brachten ihn in Verbindung zu politisch linken Zeitungen und „ich verpflichtete mich“, so Dietz wiederum autobiographisch 1947, „ohne Ahnung zu haben als Reporter in den Balkanstaaten“. Kreuz und quer kam er durch die Tschechoslowakei, Jugoslawien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Griechenland und Albanien. „Während 2 Jahren habe ich gute und schlechte Beiträge geschrieben über soziale Zustände. Ich las Proudhon, Saint Simon, Rousseau, Marx, Engels, Lenin, Plechanow, Kautsky u.v.a. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland bin ich als überzeugter Kommunist 1929 der KPD beigetreten.“ Seine Gewerkschaftszugehörigkeit verlor Dietz infolge der KPD-Politik der RGO (Revolutionäre Gewerkschaftsopposition), für die er im Landeszusammenhang tätig war. Mit seiner Arbeitslosigkeit wurde er führend in den Erwerbslosenausschüssen tätig. In den politischen Straßenauseinandersetzungen kam am 26. Mai 1931 der SA-Mann Paul Billet aus Lahr anlässlich eines provokativen Propaganda-Umzuges mit 20 NS-Motorradfahrern durch die Karlsruher Kaiserstraße ums Leben. Friedrich Dietz wurde mit vier anderen Kommunisten angeklagt, Billet geschlagen und tödlich vom Motorrad gestürzt zu haben. Tatsächlich hatte eine Zuschauerin einen Knüppel in die Speichen des Fahrzeugs gehalten, worauf jener sich beim Sturz tödlich verletzte. Dietz musste vom Gericht freigesprochen werden, „mangels Beweises“. Fortan galt ihm, inzwischen hauptamtlich für die KPD tätig, direkt der Hass der NSDAP. Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand 1933 wurde er während einer Wahlversammlung in Elchesheim bei Rastatt verhaftet und aus der „Schutzhaft“ im Gefängnis am 29. Mai 1933 in das KZ Heuberg überführt, wo er Misshandlungen unter dem berüchtigten Kommandanten Karl Buck erlitt. Ihm wurden 5 Zähne ausgeschlagen. Nach der Lagerauflösung kam Dietz am 21. Dezember 1933 in das KZ Kislau. Am 20. Juli 1934 wurde er beurlaubt und unter Polizeiaufsicht gestellt. Nichtsdestotrotz übernahm er die illegale
Leitung der KPD in Karlsruhe und kurz darauf auch im Landesmaßstab, stellte Verbindungen nach Frankreich und in die Schweiz her und organisierte die Herstellung illegaler antifaschistischer Schriften und KPD-Aufrufe mit einem immensen Verbreitungsgrad. „Bemerkbar für die Bevölkerung, aber die Resonanz im Volke war gering. Es war dem Nazismus restlos verfallen“, so sein späteres Resümee. Da der Ring mit immer neuen Verhaftungen immer enger wurde, flüchtete Dietz Anfang 1936 in die Schweiz nach Basel, von wo aus er seinen Widerstand gegen das faschistische Regime fortsetzte. Doch gewährte ihm die Eidgenossenschaft nur einen „Toleranzaufenthalt“ von 6 Monaten, danach begab er sich nach Genf, wo er weiter in leitender Tätigkeit des Widerstands eine illegale Druckerei organisierte, aus der die „Süddeutsche Volksstimme“ nach Deutschland geschmuggelt wurde, zugleich aber auch Flugblätter für die italienische KP. Dietz wurde offizielles Mitglied der Sozialistischen Partei, die bei Kriegsbeginn mit der Schweizer KP fusionierte, dann aber verboten wurde. Für die Schweizer Organisation gründete Dietz die Zeitung „Etincelle“ und gab den verbotenen „Traveil“ heraus, produzierte zahlreiche Broschüren für den Widerstand. Damit hatte er ein bedeutendes Zentrum des Antifaschismus geschaffen und verfügte inzwischen über viele Kontakte auch in nichtsozialistische Kreise. Im Oktober 1941 von
einem Schweizer Faschisten denunziert, wurde er 1942 vor dem Bundesgericht wegen „kommunistischer Umtriebe“ zu 6 Monaten Haft verurteilt. Die zugleich verlangte Auslieferung an Nazi-Deutschland“ konnte durch sozialdemokratische Abgeordnete im Schweizer Parlament verhindert werden. Er saß die Haft in der Strafanstalt Witzwil, im Zuchthaus Lenzburg und danach in der Strafanstalt St. Johannsen bei Neuchâtel ab. Endgültig frei kam er aber erst im Februar 1945. Da war er eine bekannte Persönlichkeit, weil in dieser Zeit das Berner Bundeshaus über seine Angelegenheit verhandelte und die liberale Wochenzeitung „Die Nation“ eine Kampagne um seine Freilassung geführt hatte. Dietz wurde unmittelbar außenpolitischer Mitarbeiter dieser Zeitung, nebenher Chefredakteur der Zeitung „Freies Deutschland“ in der Schweiz und konnte nebenher noch Hörer der philosophischen Fakultät der Genfer Universität sein. Er blieb bei Kriegsende in der Schweiz, war Mitglied der sozialistischen „Parti Ouvrier Suisse, Section de Genève », verfasste Anfang 1946 eine illustrierte Geschichte der Nazibewegung und ihrer Greueltaten in deutscher und französischer Sprache und führte eine offensive Auseinandersetzung gegen die 5. Kolonne der NSDAP in der Schweiz, die ein großes Echo fand und zur Ausweisung deutscher Nazis aus der Schweiz führte. Dietz war ein viel beschäftigter Journalist. Inzwischen hatte er seine Frau Edith Königsberger – die keine Kommunistin war und nie in die KPD eintrat – kennen gelernt, eine Jüdin, die in Berlin nach einer Ausbildung zur Kindergärtnerin und -krankenschwester die Deportationen der Juden vom Bahnhof Wannsee direkt miterlebt hatte und 1942 mit ihrer Schwester in einer dramatischen Flucht in die Schweiz gelangt war. Das Ehepaar kam 1947 nach Karlsruhe und sollte später eine Tochter bekommen. Friedrich Dietz folgte Adolf Betz im Amt des Kreisleiters der KPD, später gehörte er auch dem Landesbezirksvorstand Nordbaden an. Für die KPD wurde er wiederholt in den Stadtrat gewählt und stand der Fraktion bis zu ihrem Ausscheiden bei den Wahlen 1953 vor, war KPD-Kandidat zu den Landtags- und Bundestagswahlen im Wahlkreis. Zugleich arbeitete er als Journalist weiterhin hauptsächlich für Schweizer Printmedien wie sein gedruckter Briefkopf ausweist: „F.K.H. Dietz, Journaliste / Correspondent particulie des journaux suisses: Die Nation – Heim und Leben – Abeille – Voix Ouvrière – Deutsche Wirtschaftsnachrichten – Pressedienst der Nation“, aber auch für das „Neue Deutschland“ der SED, was aber seit der Währungsreform auf Honorarbasis nicht mehr möglich war. Friedrich Dietz war VVN-Mitglied seit seiner Rückkehr nach Deutschland, nahm aber kein Amt in der Organisation ein, da er als hauptamtlicher KPD-Sekretär und Journalist andere
Prioritäten setzte. Mit dem KPD-Verbot der Adenauer-Regierung als Schlusspunkt von dessen Westintegrationspolitik und antikommunistischem Feldzug, sah sich Friedrich Dietz und letztlich die Familie mit Existenznöten konfrontiert. Staatliche Stellen konnten ihm die Fortführung der nun abermals in die Illegalität getriebenen KPD, diesmal in der auf
demokratischen Grundlagen 1949 errichteten Bundesrepublik aber teilweise mit dem gleichen Repressionspersonal aus der Zeit der faschistischen Diktatur, nicht nachweisen. Dafür sorgte das Stuttgarter Justizministerium mit Nachdruck dafür, dass Dietz keine Entschädigungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz von 1953 bzw. 1956 zuerkannt wurden. Dazu wurde er 1957 wegen seiner „kommunistischen Betätigung“ vor 1956 gar in das Landesamt für Wiedergutmachung zur „Vernehmung“ vorgeladen, ein beachtenswerter Vorgang mit Erprobung einer „neuen“ Rechtsauslegung, in der ihm ohne Quellenangabe Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus seiner KPD-Tätigkeit vor 1956 vorgehalten wurden. Das Justizministerium versuchte die Entschädigung mit der Begründung vorzuenthalten, er habe seit dem „23.5.1949 [Grundgesetzverkündung] die freiheitliche, demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekämpft und sei deshalb von der Entschädigung ausgeschlossen“ (Prozessreferat 17.3.1958; GLA 480/116). Sogar Dietz’ persönlicher Aufruf zur Bundestagswahl 1957, die SPD als Alternative zur Adenauer-Regierung zu wählen, wurde ihm als kommunistische Agitation vorgehalten. Der antifaschistische Konsens von 1945 war sichtbar mit der Rede von US-Außenminister James F. Byrnes in Stuttgart am 6.9.1948 – dem öffentlich gemachten Startpunkt des Kalten Krieges – in Frage gestellt worden. Westdeutschland als Produkt der daraus resultierenden Spaltung Deutschlands machte unter der Politik der Adenauer-Regierung den Antikommunismus zur Staatsräson und führte in den 1950er Jahren mit der 131er Grundgesetzregelung, der Remilitarisierung und den Beschränkungen der demokratischen Einflussmöglichkeiten der Gewerkschaften in den Betrieben zielstrebig zur Verneinung der Erkenntnis nach 1945. Dabei verband man sich ungeniert mit „alten Kameraden“. Die Vokabel des „Antibolschewismus’“ von 1933 war nahtlos in die antikommunistischen Auslegung des Grundgesetzes als der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ (fdgo) übergegangen. Friedrich Karl Hans Dietz konnte die Auseinandersetzung mit dieser ihn persönlich betreffenden Restaurations-Politik nicht mehr zu Ende führen. Er starb nach schwerer Krankheit am 10. Januar 1959.

 

Quellen/Literatur: Landesarchiv Baden-Württemberg – GLA 480/116; Stadtarchiv Karlsruhe 8/StS 13/1122-1126 und 1197; Edith Dietz: Der Kreis schließt sich. Jahrzehnte des Friedens sind keine Garantie. Frankfurt am Main 1997, 2. ergänzte Auflage 2006.