OdF-Gedenktag 2014

Der Gedenktag für die Opfer des Faschismus (OdF-Tag) hat in Karlsruhe eine lange Tradition. Nach der Befreiung von Faschismus und Krieg wurde er zunächst am zweiten Sonntag im September begangen. In Karlsruhe erstmals am 15. September 1946. Damals riefen, im antifaschistischen Konsens der Nachkriegszeit, neben dem Landesausschuss Württemberg-Baden der vom Naziregime politisch Verfolgten auch CDU, SPD, KPD, DVP (Vorgänger der FDP) und der Gewerkschaftsbund Württemberg-Baden gemeinsam auf. Einige der Bündnispartner haben ihre antifaschistischen Positionen dem Kalten Krieg geopfert und sprangen schnell wieder ab. Infolge wurde der Gedenktag in Karlsruhe auf den Totensonntag verlegt. Dort konnte er bis heute als wichtige Institution der Erinnerung und Aufklärung bewahrt werden. Auch am diesjährigen Totensonntag folgten über 60 Menschen der Einladung der VVN-BdA.

 

Am Mahnmal für die Opfer der „Euthanasie“ sprach in diesem Jahr der Ehrenpräsident der VVN-BdA, Heinrich Fink. Dieser begrüßte zunächst ganz besonders die anwesenden Repräsentanten der DIDF. Ihnen und ihrem Kampf gelte seine ganze Solidarität. Dann sprach er alle TeilnehmerInnen der Veranstaltung an: „Ihr habt Euch einladen lassen, Euch zu erinnern“. Die Erinnerung gelte besonders denjenigen, die Widerstand geleistet haben, denjenigen, die durch ihre Taten bewiesen haben, dass Widerstand möglich war. Brecht zitierend heißt es: „Ihr seid verschwunden aber nicht vergessen“. Es gelte, die Taten der WiderstandskämpferInnen in der Erinnerung der Nachwelt zu bewahren: „Aufklären, Aufklären und nochmals Aufklären“. Gleichzeitig gelte es, die Erinnerung als Vermächtnis und Auftrag zu sehen. Heutzutage sei der Frieden in der Welt wieder brüchig geworden. „Nie war er so gefährdet wie in den letzten Jahrzehnten. Im Irak, in Syrien, in Afrika und auch in Europa toben Kriege. Deutsche Waffen und auch deutsches Militär sind fast überall beteiligt“.Rassismus, Chauvinismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit und alle möglichen Theorien zur Begründung sozialer Ungleichheit und gesellschaftliche Ausgrenzung haben Konjunktur. Der rasante Aufstieg neofaschistischer und rechtspopulistischer Kräfte sei in nahezu allen europäischen Ländern wieder deutlich geworden. Die jahrzehntelange Begünstigung faschistischer Mörder durch den Verfassungsschutz könne selbst nur als „faschistoid“ bezeichnet werden. Dagegen brauche es „Widerstand, Widerstand und nochmals Widerstand“. „Wir müssen etwas dagegen setzen. Nämlich das Vermächtnis und der Auftrag derer, die im KZ und im Kampf gegen den Faschismus gestorben sind. Die Forderung »Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!« ist der Mittelpunkt der politischen Kämpfe. Das ist unser Auftrag und das ist das Vermächtnis, weshalb wir hier stehen“.

 

Im Anschluss setzte Dieter Bürk, Vorsitzender des DGB-Stadtverbands, mit einem kurzen Grußwort ein Zeichen dafür, dass der Gewerkschaftsbund seiner 1946 begonnen Tradition treu bleibt. Die Karlsruher Gewerkschaften waren vom ersten Gedenktag an wichtige Bündnispartner der Veranstaltung und Träger des Gedenkens. Angelika Messmer verlas ein eindrucksvolles Zeugnis der Erinnerung: Den Abschiedsbrief eines jungen Bauernsohns aus dem Sudetenland vom 3.Februar 1944 an seine Eltern kurz vor der Hinrichtung. Er verweigerte gemeinsam mit einem Kameraden die Gräueltaten der SS und unterschrieb nicht seine Zwangsrekrutierung. „Wir wollen lieber beide sterben, als unser Gewissen mit so Gräueltaten zu beflecken“.

 

Nach den Redebeiträgen wurden im Gedenken an die Opfer des Faschismus Kränze und Blumengebinde niedergelegt. Dabei offenbarte sich die Bündnisbreite der Veranstaltung: DFG-VK, DGB, DKP, Ettlinger Bündnis gegen Rassismus und Neonazis, DIDF, Friedensinitiative Bruchsal und Pax Christi, Interventionistische Linke, Offenes Antifa-Treffen Karlsruhe, die LINKE, Stadtjugendausschuss e.V., ver.di und die VVN-BdA.

 

Der zweite Teil der Gedenkveranstaltung fand auf dem Gräberfeld für sowjetische Zwangsarbeiter auf dem jüdischen Teil des Friedhofs statt. In ihrem Vortrag machten Brigitte und Gerhard Brändle auf ein siebzig Jahre lang verschwiegenes Verbrechen aufmerksam. Am 1. April 1944 erschoss ein Kommando der Division 465 aus Ludwigsburg auf dem Schießplatz der Wehrmacht im Hardtwald zwölf französische und zwei belgische Widerstandskämpfer im Alter zwischen 19 und 59 Jahren. Sie waren in Scheinprozessen vom 3. Senat des Reichskriegsgerichts in Freiburg zum Tode verurteilt worden. Die Leichen der Ermordeten wurden anschließend an der Mauer des Karlsruher Hauptfriedhofs verscharrt. Am 1. April 2014 kam die Stadt Karlsruhe ihrer Verantwortung nach und übergab der Öffentlichkeit in Anwesenheit von Angehörigen der Erschossenen eine Erinnerungs-Stele. Nahe des Orts des Geschehens, an der Ecke Theodor-Heuss-Allee/Breslauer Str., haben die Erschossenen ihren Namen und – soweit möglich – auch ihr Gesicht erhalten. Die Stadt Karlsruhe hat gleichzeitig eine zweisprachige Dokumentation herausgegeben, in der die Verscharrten nicht als bloße „Opfer“ dargestellt werden, sondern in erster Linie als das, was sie waren: Widerstandskämpfer gegen die deutschen Besatzer ihrer Heimat. Gleichzeitig gebe es noch viel zu tun: „So bemerkenswert das Engagement der Stadt Karlsruhe durch die Ehrung der Nazi-Gegner aus Frankreich und Belgien ist, so bleibt doch noch zu tun: Es fehlt in Karlsruhe ein Ort der Erinnerung an die Menschen in und aus Karlsruhe , die Widerstand gegen die Nazi-Barbarei leisteten. Auch heute braucht es Vorbilder für den aufrechten Gang, für Zivilcourage und Widerstand“.

 

Am Gedenkstein für die sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter legte die VVN-BdA stellvertretend für alle Anwesenden einen Kranz nieder.   Die Gedenkveranstaltung endete in gemütlicher Runde in einem Café in der Nähe. Bei guter Stimmung und bei anregenden Gesprächen konnte ein neues Mitglied gewonnen werden.

 

Ein herzlicher Dank geht an alle genannten Rednerinnen und Redner, die maßgeblich zum Gelingen der Gedenkveranstaltung beigetragen haben. Besonders sei auch den beteiligten Bündnispartnern für Ihr Engagement und ihre Unterstützung gedankt. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung, wie in vielen Jahren zuvor, von Marianne Hangstörfer und Helmut Ciesla (Trompetensolo). Durch die Veranstaltung führte unser Kreissprecher Jens Kany.

 

OdF_Broschüre_Cover Sevinc_06 Sevinc_05 Sevinc_04 Sevinc_03 Sevinc_02 Sevinc_01 OdF_Collage_2014_Cover Vielen Dank bei Sevinc für die Fotos!