Presseerklärung: Gedenken an die Opfer einer kriegsverbrecherischen Wehrmachtseinheit geschändet – historische Erkenntnis lässt sich weder durch Beschweigen noch durch rechtsextremistischen Diebstahl verhindern
10. Mai 2015
Presseerklärung
Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Friedensbündnis Karlsruhe, Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V., Initiative für ein Friedensdenkmal in Karlsruhe
Karlsruhe, 10. Mai 2015
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Wir haben am 8. Mai 2015 zum 70. Jahrestag der Befreiung von Krieg und Faschismus das Kriegerdenkmal der 35. Infanteriedivision beim Haydnplatz verhüllt und eine Informationstafel dazu aufgestellt, dabei in zwei Reden die Verantwortlichkeit der Division für Kriegsverbrechen in der Sowjetunion aufgezeigt, die Stadt Karlsruhe aufgefordert, dem Denkmal eine Kommentierung entgegen zu stellen, die auch die seinerzeitige Verantwortlichkeit der Stadtverwaltung für diese Aufstellung thematisiert, um damit zum historischen Lernen beizutragen sowie langfristig in der Auseinandersetzung um die gegenwärtige Kriege initiativ für ein Friedens-Denkmal durch Bürgerinnen und Bürger von Karlsruhe einzutreten.
Bei dieser würdevollen Aktion, die auch den namenlosen Opfern dieser Wehrmachtseinheit gedachte, waren 80 Bürgerinnen und Bürger zugegen.
Noch in derselben Nacht wurde von “Unbekannten” in der Dunkelheit das Verhüllungstuch sowie die Informationstafel beseitigt und gestohlen, die niedergelegten Gedenksteine mit Ortsnamen sowie für die namenlosen Opfer wahllos verstreut. Dies ist ein vor den Opfern der 35. Infanteriedivision respektloser Frevel. Zugleich ist er sinnlos, da mit unserer Aktion die Informationen über die Kriegsverbrechen der 35. Infanteriedivision sowie die kommunale Willfährigkeit bei der Denkmalaufstellung 1964 breit thematisiert werden konnten, somit konnte bereits ein unbekanntes geschichtliches Kapitel an die Oberfläche geholt werden. Einige Kommentare im Web zu unserer Aktion und zur Frage nach Wehrmachtskriegsverbrechen insgesamt zeigen, dass in dieser Stadt ein militaristischer und rechtsextremistischer Bodensatz existiert, der sich positiv auf den Nationalsozialismus und insbesondere die Wehrmacht bezieht, gegen Andersdenkende im ungebrochenem nationalsozialistischem Sprachgebrauch als “Volksverräter” hetzt. Neonazistische Organisationen aus der Region treffen sich seit Jahren am 8. Mai zum Gedenken an die Wehrmacht, eventuell nutzten sie ihr diesjähriges Treffen, um die Verhüllung des Kriegsdenkmals und das Andenken an die Opfer zu schänden.
Dies bekräftigt unsere Aufforderung an die Stadt Karlsruhe, an die politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger des Gemeinderats, diesem Kriegsdenkmal für eine an Kriegsverbrechen beteiligten Wehrmachtseinheit eine kommentierende Entgegenstellung beizugeben zur Information der Öffentlichkeit und zum historischen Lernen.
Wir werden in den nächsten Tagen am Kriegsdenkmal ein Duplikat der gestohlenen Tafel aufstellen und auf die vermutlich durch rechtsextremistische Kreise begangene Zerstörung eingehen.
Zukünftig werden bei diesem nicht mehr länger unwidersprochen stehen könnenden Denkmal immer wieder Informationen über die Verbrechen der 35. Infanteriedivision liegen, bis die Stadt Karlsruhe, der Gemeinderat, für eine angemessene dauerhafte Kommentierung dieses Denkmals gesorgt hat.