Vernissage „Kunst gegen NS-Verbrechen“

31. Januar 2016

Wir dokumentieren die Eröffnungsrede des VVN-BdA Kreissprechers.

„Letzten Mittwoch, am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, wurde der bundesweite, gesetzliche Gedenktag „für die Opfer des Nationalsozialismus“ begangen. Im Fokus der offiziellen Gedenkkultur stand dabei, wie jedes Jahr, das Leid der Opfer, dargestellt an individuellen Schicksalen.

Der Opfer zu gedenken ist gut und richtig. Das Ganze verkommt aber zur moralisierenden Showveranstaltung, wenn die politischen Aspekte ausgeblendet werden. Als der Gedenktag 1996 eingeführt wurde, hatte die VVN-BdA gefordert, die Ernsthaftigkeit des neuen Gedenktages unter Beweis zu stellen. In einer Stellungnahme der VVN hieß es damals:

Wer des 27. Januar 1945 gedenkt, muss auch den 30. Januar 1933 mitdenken. Ursachen und Herkunft des Faschismus sind notwendige Bestandteile jeder Erinnerungsarbeit. … Das Gedenken an die Opfer muss verbunden sein mit der Erinnerung daran, wer die Täter waren. Das heißt: Benennung der Schuldigen und der Nutznießer an der Errichtung der nazistischen Herrschaft in Deutschland und an der Entfesselung des Krieges.

Doch gerade was den 30. Januar 1933 angeht, werden in den meinungsbildenden Medien aber auch z.B. in Schulbüchern Mythen über die tatsächlichen historischen Vorgänge verbreitet. Der Begriff der „Machtergreifung“ repräsentiert diese Mythenbildung. Er suggeriert, Hitler und die NSDAP hätten die politische Macht gegen den Willen der Weimarer Eliten und im Bruch mit den Grundlagen der Weimarer Republik „ergriffen“. Die Wahrheit sieht aber anders aus: Hitler wurde gerade von den Eliten der Weimarer Republik als Reichskanzler eingesetzt – ihm wurde die Macht übertragen!

Das die Täter in der offiziellen Gedenkkultur nicht genannt werden, geradezu gedeckt werden, liegt schlichtweg daran, dass es eben dieselben Personen und Personengruppen waren, die nach der Befreiung 1945 die Eliten der BRD bildeten und – nun unter dem Deckmantel von Freiheit und Demokratie – ihr Werk fortsetzten. Entsprechend boykottierte die BRD (und tut dies bis heute!) die Umsetzung der Potsdamer Verträge, in denen u. a. die politische Neutralität, die militärische Abrüstung aber auch die „Vernichtung der bestehenden übermäßigen Konzentration in der Wirtschaft“ festgeschrieben wurden.

Die Hauptkraft hinter Hitler und der NSDAP war ohne Frage das deutsche Groß- und Finanzkapital. Der Bankier Kurt von Schröder sagte im Nürnberger Prozess aus: „Als die NSDAP am 6. November 1932 ihren ersten Rückschlag erlitt und somit also ihren Höhepunkt überschritten hatte, wurde eine Unterstützung durch die deutsche Wirtschaft besonders dringend.“ Im Untersuchungsausschuss des US-Senats (Kilgore-Ausschuss) hieß es: „Die Unterstützung seitens der deutschen Schwerindustrie und Hochfinanz ermöglichte den Nationalsozialisten die Machtergreifung.“ Auf der Liste dieses Ausschusses standen als Verantwortliche für Faschismus und Krieg unter anderem Herren wie Krupp, Siemens, Thyssen…

Zur geschichtspolitischen Aktualität des 30. Januar 1933 schreibt der Generalsekretär der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) Ulrich Schneider: „Eine tagesaktuelle Frage ist, ob Toleranz gegen Nazis ein Gebot der Demokratie sei oder nicht vielmehr sich aus den historischen Erfahrungen die Konsequenz ergibt, der extremen Rechten keinerlei Freiräume zuzugestehen.“ In diesem Sinne ist gerade für uns in Karlruhe der 30. Januar 1933 von besonderer, tagesaktueller Relevanz. In Karlsruhe marschieren seit nunmehr einem Jahr regelmäßig Neonazis durch die Straßen. Doch dies ist auch ein deutschlandweites Phänomen. Seit Jahren bilden sich hier Keimformen einer neuen faschistischen Bewegung. Noch steht eine Machtübertragung nicht auf der politischen Agenda. Aber die Zeiten ändern sich rasend schnell. Um nur eine Kennzahl zu nennen: Im Jahr 2015 haben sich die gewaltsamen Übergriffe auf Asylunterkünfte im Vergleich zu 2014 verfünffacht. Gestern erst wurde bekannt, dass es in Villingen-Schwenningen einen Anschlag mit einer Handgranate gab – diese hatte zum Glück einen technischen Defekt und ging nicht los.

Für die antifaschistische Tagespolitik bedeutet dies: Wir müssen uns einerseits den Nazis auf der Straße in den Weg stellen und ihnen keinerlei Freiräume zugestehen. Wir müssen aber andererseits auch die Förderer und Nutznießer im Hintergrund erkennen und anprangern – damals wie heute.

Zum Ende noch zwei anstehende Termine:

– Der nächste Aufmarsch von „Widerstand Karlsruhe“ – jetzt wieder unter neuem Namen – ist für kommenden Dienstag, 2. Februar angemeldet. Gegenaktionen starten ab 17.30 Uhr auf dem Stephanplatz.

– Die Partei „die RECHTE“ hat für den 19. März in Bruchsal eine Kundgebung unter dem Motto „Tag der Heimattreue“ angemeldet. Ein Bündnis plant ein Bürgerfest und eine Gegendemo.

Dossow Marianne Liane02 Liane01